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Wildtierverbot im Zirkus durch Satzung - VGH München 25.05.2023

Zeigt die Entscheidung des VGH München, Beschluss v. 25.05.2023 - 4 CE 23.854  einen tragfähigen Lösungsweg?

Können Gemeinden Zirkusbetriebe mit Wildtieren von der Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen durch Satzung ausschließen?

Im Beitrag vom 17.03.2017 „Analyse und Empfehlungen zum Kommunalen Wildtierverbot in Zirkusunternehmen in Hameln“ wurden die Entscheidungen des VG Hannover vom 12.01.2017, Az. 1 B 7215/16 untersucht.

"Einer Kommune ist nicht gestattet, im Rahmen einer Widmung einer öffentlichen Einrichtung Wildtierverbot in Zirkussen zu beschließen. Die Widmung darf sich ausschließlich auf kommunale Angelegenheiten beziehen. Ein Wildtierverbot in Zirkussen kann nur vom Bundesgesetzgeber geregelt werden." (Leitsatz)

und des OVG Lüneburg vom 02.03.2017, Az. 10 ME 4/17

„2. Eine Gemeinde kann einem reisenden Zirkusunternehmen, das über eine Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8d TierSchG verfügt, die Überlassung kommunaler Flächen nicht aus allgemeinen tierschutzrechtlichen Gründen versagen. Eine so begründete Ablehnung verstößt sowohl gegen den Vorrang von § 11 TierSchG als auch - wegen der objektiv berufsregelnden Tendenz - gegen den Gesetzesvorbehalt. „ (2. Leitsatz).

Diese Entscheidungen bzw. ihre Argumentation bildet immer noch die Grundlage für die Ablehnung des kommunalen Wildtierverbots. Der VGH München führt diese Argumentation im Beschluss v. 25.05.2023 – 4 CE 23.854 weiter. Zwar wird dieser Ausschluss durch schlichten Ratsbeschluss verneint, jedoch durch Satzung grundsätzlich bejaht:

Leitsatz:

Die Gemeinden können Zirkusbetriebe, die Wildtiere mit sich führen oder zur Schau stellen, jedenfalls nicht auf der Grundlage eines schlichten Ratsbeschlusses von der Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungenausschließen. (Rn. 18 – 22)

„Die Gemeinden werden allerdings in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO ausdrücklich ermächtigt, durch Satzung die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen zu regeln. Die Vorschrift erlaubt zwar keine schwerwiegenden berufsbeschränkenden Maßnahmen gegenüber Dritten, die in das Benutzungsverhältnis nur mittelbar einbezogen sind (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 28). Im Rahmen einer Satzung nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO können aber gemäß ständiger Rechtsprechung gegenüber den Einrichtungsbenutzern belastende Benutzungsregelungen erlassen werden, aus denen sich Handlungs- oder Duldungspflichten ergeben und die daher auch mit Grundrechtseingriffen verbunden sein können ..  (Rn. 21

Nachfolgend wird versucht, die Argumente zu untersuchen, zu prüfen ob eine Satzung tragfähige Grundlage für das Wildtierverbot ist und sich hieraus ergebende Empfehlungen  darzustellen.

1. Derzeitige Ausgangssituation

Seit dem Beitrag vom 17.03.2017 konnte weder politisch noch rechtlich eine zufriedenstellende Lösung hinsichtlich des Mitführens und Zurschaustellung von Wildtieren in Zirkusunternehmen erreicht werden. Die politische Initiative der ehemaligen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, durch die zumindest verboten werden sollte, dass reisende Zirkusbetriebe sich künftig weitere Elefanten, Giraffen, Nashörner, Flusspferde, Großbären oder Primaten zulegen ("Nachstellverbot") - was von vielen als halbherzig kritisiert wurde - scheiterte im Bundesrat. Deutschland ist eines der letzten Länder innerhalb der EU, in denen Wildtiere noch im Zirkus auftreten dürfen. Es steht zu befürchten, dass - wie der Stierkampf in Spanien - die Wildtierdressuren im Zirkus als Kulturgut geschützt werden.

Durchgehend wird in der Öffentlichkeit dargestellt, dass die Kommunen mit ihrem Versuch, ein Wildtierverbot durchzusetzen, gescheitert sind. Viele gerichtliche (Eil-)Entscheidungen bestätigen dies. Vorschub wird leider durch die Kommunen selbst geleistet, die das Wildtierverbot immer noch unzureichend, manchmal geradezu dilletantisch, begründen. Aufklärung auch hinsichtlich der Begründungsanforderungen leistet der Beitrag des Tierschutzbeauftragten von Baden-Württemberg vom 14.10.2013. Letztes Negativ-Beispiel liefert die Gemeinde Rodgau (Hessen), die sämtliche Tiere im Zirkus verboten hatte und von Peta hierfür gefeiert wurde, was aus tierschützerischer Sicht zu wünschen wäre, aber aktuell noch nicht durchsetzbar ist. Die Begründung des Verbots erfolgte allein aus Gründen des Tierschutzes und - wie zu erwarten war - wurde es vom VG Darmstadt in der Entscheidung vom 29.03.2022, Az. 3 L 409/22.Da, kassiert.

Es bestand und besteht bis heute in rechtlicher Hinsicht immer noch Konsens dahingehend, dass bei der Begründung eines Wildtierverbots der Tierschutz zwar Motiv oder auch ein Argument sein kann, aber nicht den Schwerpunkt der Argumentation bilden sollte. Im Vordergrund stehen Argumente der Sicherheit, des Verwaltungsaufwands, der örtlichen Gegebenheiten, der Ablehnung der Bevölkerung, die jeweils spezifisch zu erarbeiten sind. Argumente für die Sicherheit sind aufgrund zahlreicher Vorfälle, in denen Tiere ausgebrochen sind und es zu Unfällen kam, leicht zu finden.

Immerhin hält bisher das Wildtierverbot in mehr als 70 Städten und Gemeinden in Deutschland. Die Kommunen sind jedoch verunsichert und die Debatten in den Parlamenten über die Einführung ein solchen Verbotes hilft den Gegnern die Darstellung der rechtlichen Unwägbarkeit.

Ein Zeichen setzte die Entscheidung des OVG Berlin/Brandenburg vom 09.11.2019, Az. 1 S 73.19.  Wie in früheren Jahren wollte ein Zirkus auf dem angestammten - städtischen - Platz gastieren. Dessen Nutzung war allerdings zwischenzeitlich ausschließlich auf das Parken beschränkt worden. Das OVG stellte fest, dass die Einrichtung eines Veranstaltungsplatzes eine freiwillige Aufgabe einer Kommune ist und sie diesen Platz auch anderweitig nutzen kann. Ein Anspruch auf die Einrichtung eines Veranstaltungsplatzes besteht nicht.

Die Brisanz: Fast genau ein Jahr vor diesem Urteil verpflichtete dasselbe Gericht die Stadt Berlin noch, der Nutzung des Parkplatzes für den Zirkus zuzustimmen und bejahte einen Anspruch aus der langjährigen Vergabepraxis. Die Stadt Berlin begründete ihre Entscheidung damals damit, dass eine artgerechte Tierhaltung nicht sichergestellt sei. Da der Zirkus aber eine Genehmigung zum gewerbsmäßigen Zurschaustellen von wilden Tieren hatte, bewertete das Gericht das Vorgehen der Stadt als einen unzulässigen Versuch, das von Berlin rechtspolitisch als defizitär angesehene Bundesrecht zu umgehen.

2. Maßgebliche Argumente

 2.1 Vorrang des Bundesrechts, § 11 Tierschutzgesetz

Das OVG Lüneburg - eingangs angegeben - betonte, dass die Haltung von Wildtieren nach Bundesrecht einer Erlaubnis bedarf und - soweit diese erteilt wird - eine Versagung aus Gründen des Tierschutzes nicht möglich ist. Das Tierschutzgesetz hat als Bundesgesetz Vorrang. Auf dieses Argument stützen sich die Zirkusbetreiber und stellen dar, wie gut es doch ihren Tieren gehe. So war am 23.06.2023 im NDR ein Bericht über die Haltung zweier Seelöwen im Circus Berolina zu sehen, in dem die Tiere in einem Schwimmbecken vemeintlich fröhlich tauchen und dem Dompteur ein "Küssschen" geben.

Konflikt mit Zirkus in Greifswald: Tier-Shows ja oder nein? | NDR.de - Fernsehen - Sendungen A-Z - Nordmagazin

Greifswald: Seelöwen-Auftritt trotz Gerichtsbeschluss? | NDR.de - Nachrichten - Mecklenburg-Vorpommern

Ein Zuschauer meinte, dass es den Tieren doch gut gehe und er den ganzen Gegenwind nicht verstehe. VG und OVG Greifswald hatten die Vorführung im Zirkus untersagt, woraufhin der Betreiber die Seelöwen auf einem Privatgrundstück in 200 m Entfernung auftreten ließ. Seelöwen tauchen  bis zu 200 m tief über eine Zeit von bis zu15 Minuten und können eine Geschwindigkeit bis zu 40 km/Std erreichen,

In diesem Beispiel wird - wie ich meine - offensichtlich, dass die Seelöwen in menschlicher Gefangenschaft in keiner Weise nach ihren Bedürfnissen und Anlagen leben können. Diese Bedürfnisse werden durch Dressur unterdrückt, durch Belohnen und Bestrafen. Dass sich die Tiere diesen Verhältnissen anpassen müssen und können, ist eine Überlebensstrategie.

2.2 Wildtierverbot als Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, Art. 12 GG

Kernargument der Gegner des Wildtierverbotes ist der mögliche Eingriff in die durch das Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit Art 12 GG.

So führt das oben zitierte OVG Lüneburg unter 4b unter Verweis auf dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 16.10.2013 - 8 CN 1/12 -, Leitsatz 3) aus, dass die den Kommunen eingeräumte allgemeine Satzungsbefugnis sowie die Befugnis, die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen zu regeln, keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellen, um einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit zu rechtfertigen.

Das Verbot des Mitführens von Wildtierenweist eine objektiv berufsregelnde Tendenz ebenso wie spürbare tatsächliche Auswirkungen auf. Den Betroffenenverbleibt zwar rechtlich die Möglichkeit, ihre Wildtiere auf privaten Flächen zu präsentieren. Das Angebot an geeigneten, nicht kommunalen Flächen für reisende Zirkusbetriebe dürfte eng begrenzt sein.

Demgegenüber wird teilweise vertreten, dass ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nicht vorliegt. Die Kommune, wie auch das OVG einräumt, ist überhaupt nicht verpflichtet, einen Veranstaltungsplatz vorzuhalten. „Wenn aber eine Kommune nicht verpflichtet ist, für Zirkusse mit Wildtieren überhaupt Plätze vorzuhalten, dann muss es im Umkehrschluss auch möglich sein, solche ursprünglich einmal vorhandenen Flächen wieder abzuschaffen.“, vgl. Stellungnahme DJGT vom 25.10.2017 und Entscheidung des OVG Berlin/Brandenburg, oben angegeben.

2.3 Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinde, Art. 28 Abs. 2 GG

Die kommunale Selbstverwaltung ist eines der Grundprinzipien der Demokratie ("Demokratie von unten"). Sie umfasst das Recht der Kommunen, einen Großteil ihrer öffentlichen Aufgaben selbstständig zu erledigen. Es wird hierbei unterschieden zwischen Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis - hier führt die Gemeinde Bundes-/Landesgesetze aus - und Aufgaben im eigenen Wirkungskreis. Betroffen sind bspw. Regelungen zur Bauleitplanung, Gebührensatzungen Gefahrenabwehrsatzungen, aber auch Satzungen für einen Veranstaltungsplatz (Wochenmarktplatz,

SATZUNG DER STADT SPEYER über die Durchführung öffentlicher Veranstaltungen durch die Stadt Speyer (Veranstaltungssatzung).

Die ablehnende Rechtsprechung verweist darauf, dass das Wildtierverbot keine Angelegenheit der Gemeinde sei, sondern die Zulässigkeit "Tiere zur Schau stellen oder für solche Zwecke zur Verfügung stellen" durch § 11/I S. 1 Nr. 8d TSCHF und also durch höherrangiges Bundesrecht geregt sei. Zudem besteht die der Kommune obliegende Neutralitätspflicht nicht nur im politischen Raum, sondern sie erstreckt sich auch auf den weltanschaulichen und moralischen Bereich. Das vorrangige Rechtsstaatsprinzip gestattet deshalb keine Ausgestaltung der allgemeinen gemeindlichen Satzungsautonomie derart, dass Grundrechtseingriffe ohne besondere Rechtsgrundlage zulässig wären, so das VG Hannover, oben angegeben.

3. Kritische Prüfung der Entscheidung durch Stellungnahme „Mach nicht so ‘nen Zirkus!“ · PUBLICUS (boorberg.de) vom 03.07.2023

Ausführlich, kritisch und eher ablehnend setzt sich der Artikel „Mach nicht so ‘nen Zirkus!“ · PUBLICUS (boorberg.de) vom 03.07.2023 mit der Entscheidung des VGH München vom 25.05.2023 auseinander. Gerade diese kritische Sicht ist im Hinblick auf die Beurteilung der Tragfähigkeit der Entscheidung hilfreich.

Der VGH bestätigt das Recht der Kommunen zur Festlegung des Zwecks und des Nutzerkreises ihrer freiwillig geschaffenen Einrichtungen, die gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sind. In diesem Zusammenhang dürften „überörtliche (Neben-)Ziele verfolgt und entsprechende Anforderungen an die Benutzer gestellt werden, wenn ein objektiver Zusammenhang mit der kommunalen Aufgabe besteht und die entsprechenden Regelungen als deren konkretisierende Ausgestaltung verstanden werden können. Insofern ist die Versagung der Zulassung trotz Erlaubnis nach § 11 TSchG zulässig.

Es handelt sich nicht um ein Verbot an der Nutzung des Veranstaltungsplatzes, sondern „lediglich [um] die Vorenthaltung einer Leistung, auf die kein originärer Anspruch besteht“ (Rn. 17).

Dies wird in dem Beitrag kritisch gesehen: „Die Frage ist vorliegend vielmehr, ob die Stadt die in der tierrechtlichen Erlaubnis enthaltene, auf bundesgesetzliche Ermächtigung zurückzuführende Wertung durch ihren einschränkenden Widmungsbeschluss unterlaufen darf.“

Nach Meinung des Verfassers sagt die Erlaubnis „Tiere zur Schau stellen oder für solche Zwecke zur Verfügung stellen“ nach § 1 11/I S.1 Nr. 8d TSchG nichts darüber aus, ob ein Zirkus einen Veranstaltungsplatz in einer speziellen Gemeinde nutzen darf. Die Erlaubnis enthält auch keine „Wertung“, die unterlaufen werden könnte. Die Erlaubnis betrifft nach dem Gesetzeszweck ausschließlich den Schutz der Tiere. Eine Versagung des Auftritts auf einem Veranstaltungsplatz widerspricht nicht diesem Schutz! Das Tierwohl wird dadurch eher gefördert.  Es werden vom Veterinäramt die Haltungsbedingungen und der Gesundheitszustand der Tiere überprüft und wenn das Veterinäramt  keine Beanstandungen hat, wird eine Erlaubnis erteilt. Weiter sagt diese Erlaubnis nichts aus. 

Weiterhin wird festgestellt, dass der VGH, unabhängig von der Tatsache, dass ein Fall der Leistungsverwaltung gegeben ist, einen Eingriff mit berufsregelnder Tendenz  in die Berufsfreiheit bejaht. Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht gegeben, da mit der bezweckten Förderung des Tierwohls schon im Hinblick auf Art. 20a GG ein legitimer Differenzierungsgrund vorläge.

Hier sieht der Bericht vorschnell die Verneinung der Verletzung des Art 3 GG.

Letztlich sieht der Bericht den durch den VGH aufgezeigten Weg wegen der kritischen Rechtsprechung des BVerwG mit Unsicherheiten behaftet.

Hier schließt sich der Kreis. Befürworter und Gegner des Wildtierverbotes berufen sich auf BVerwG, Urteil vom 16.10.2013 - 8 CN 1.12.

4. Kommunale Wildtierverbot durch Satzung

Der VGH bezieht sich auf die Entscheidung BVerwG vom 16.10.2013

Der VGH München führt aus: "Die Gemeinden werden in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO ausdrücklich ermächtigt, durch Satzung die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen zu regeln. Die Vorschrift erlaubt zwar keine schwerwiegenden berufsbeschränkenden Maßnahmen gegenüber Dritten, die in das Benutzungsverhältnis nur mittelbareinbezogen sind (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 28). Im Rahmen einer Satzung nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO können aber gemäß ständiger Rechtsprechung gegenüber den Einrichtungsbenutzern belastende Benutzungsregelungen erlassen werden, aus denen sich Handlungs- oder Duldungspflichten ergeben und die daher auch mit Grundrechtseingriffen verbunden sein.", vgl. Rn 21.

Auch das OVG Lüneburg verweist auf diese Entscheidung zur Begründung des Gegenteils:“In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 16.10.2013 - 8 CN 1/12 -, Leitsatz 3) ist geklärt, dass die den Kommunen eingeräumte allgemeine Satzungsbefugnis sowie die Befugnis, die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen zu regeln, keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellen, um einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit zu rechtfertigen.“ ,vgl. oben 4b).

Leitsatz 3 der Entscheidung des BVerwG, Urteil vom 16.10.2013 - 8 CN 1.12 gibt anscheinend den Gegnern recht.

Leitsätze:

1. Die Regelung in einer städtischen Friedhofssatzung, nach der nur Grabmale aufgestellt werden dürfen, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention 182 hergestellt wurden, stellt eine Benutzungsregelung des kommunalen Friedhofs dar.

2. Es verletzt das rechtsstaatliche Gebot der Normenklarheit und hinreichenden Bestimmtheit, wenn für den Normbetroffenen nicht im Voraus erkennbar ist, welche Nachweise zum Beleg dafür, dass die Grabmale nicht aus ausbeuterischer Kinderarbeit herrühren, anerkannt werden.

3. Die den Kommunen eingeräumte allgemeine Satzungsbefugnis sowie die Befugnis, die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen zu regeln, stellen keine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage dar, um einen Eingriff in die durch Art.12Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Steinmetze zu rechtfertigen.

Letztlich ist es erforderlich den der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt und die Entscheidung näher zu betrachten. Wie Leitsatz 1 zeigt, wurde eine Regelung zur Nachweispflicht der Wertschöpfungskette von Grabmalen überprüft. Der Steinmetz sollte nachweisen, dass der Grabstein nicht unter Verwendung von Kinderarbeit erstellt wurde. Wie dies erfolgen könnte, war nicht geregelt und stellte Steinmetze vor eine kaum zu lösende Aufgabe. Beim Erwerb der Steine findet sich nicht, wo, wie und wer die Steine gebrochen hat. Die Unterhaltung von Friedhöfen erfolgt durch die Gemeinde im übertragenen Wirkungskreis, ist also Pflichtaufgabe.

Nun dürfte auf den ersten Blick einleuchten, dass Steinmetzbetriebe unmittelbar vom Verkauf von Grabsteinen abhängig sind und die Anforderung die Herkunft der Steine nachzuweisen praktisch nicht lösbar ist. Insofern ist die Entscheidung offensichtlich nachvollziehbar. Kann aber diese Entscheidung auf das kommunale Wildtierverbot eins zu eins übertragen werden oder ist der Umkehrschluss richtig?

Unter Rd.-Nr. 28 ff, auf die der VGH verweist, wird vom BVerwG  die Schwere des Eingriffs beschrieben und welche Anforderungen an den Satzungsgeber bei einem derartigen  Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit zu stellen sind.

Die Regelung genügt nicht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Sie ist verletzt, wenn die Schwere des Eingriffs völlig außer Verhältnis zum damit verfolgten Zweck steht.

Das Erfordernis nachzuweisen, dass aufzustellende Grabmale nicht aus ausbeuterischer Kinderarbeit herrühren, stellt eine einschneidende, schwerwiegende Beschränkung der Berufsausübung der Steinmetze dar. Es macht einen wesentlichen Teil ihrer beruflichen Betätigung davon abhängig, dass sie den vollen Beweis einer negativen Tatsache erbringen. Die damit verbundene schwerwiegende Beeinträchtigung steht außer Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Zweck, solange nicht klar geregelt ist, welcher Art der geforderte Nachweis zu sein hat und welche Nachweise als ausreichend angesehen werden. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass ein Großteil der von den Steinmetzen verwendeten Grabmale aus Ländern der sog. "Dritten Welt" bezogen wird, in denen Kinderarbeit vorkommt. Die Steinmetze können nicht die Wertschöpfungskette jedes einzelnen von dort importierten Grabmals selbst verfolgen. Sie können ohne hinreichend bestimmte Regelung der Anforderungen an geeignete Nachweise auch nicht erkennen, welche der derzeit erhältlichen Bescheinigungen über eine von ausbeuterischer Kinderarbeit freie Wertschöpfungskette verlässlich sind. Vielmehr wird ihnen das unkalkulierbare Risiko aufgebürdet einzuschätzen, ob von ihnen beschaffte Nachweise von der Stadt anerkannt werden. Damit können für sie erhebliche Kosten, Umsatzeinbußen und ggf. auch Wettbewerbsnachteile gegenüber Konkurrenten, deren Nachweise im Einzelfall anerkannt werden, verbunden sein, vgl. RN 40.

Die konkrete Überprüfung  der Entscheidung des der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts zeigt mithin deutlich, dass sich eine Übertragung auf das Kommunale Wildtierverbot für einen öffentlichen Veranstaltungsplatz verbietet. Hier handelt es ich um eine freiwillige Aufgabe der Gemeinde. Sie kann einen Veranstaltungsplatz einrichten, sie muss es aber nicht.

5. Schlussfolgerungen

Wie in der Einleitung beschrieben hat sich seit 2017 - also mehr als fünf Jahren - nichts Wesentliches getan. Die Initiative der Politik ist gescheitert. Initiativen einzelner Kommunen werden bis auf wenige Ausnahmen durch Gerichte zurückgewiesen. Die Mehrzahl der interessierten Bürgerinnen und Bürger bleibt ratlos und frustriert zurück. Insofern ist zu begrüßen, wenn das Bayerische VGH einen Lösungsweg aufzeigt, der plausibel ist. Es dürfte nicht schwerfallen, die Widmung oder Endwidmung der Gemeindeeinrichtung "Öffentlicher Veranstaltungsplatz" durch Satzung zu regeln. Es müsste nicht der Umweg wie in Berlin gegangen werden, einen Platz der früher auch für Zirkusunternehmen nutzbar war, nunmehr als Parkplatz zu widmen. Es müsste auch möglich sein, zwischen Zirkusunternehmen mit und ohne Tieren zu unterscheiden. Wenn Kommunen in dieser Weise vorgehen, entscheiden letztlich die in der Kommune wohnenden Bürgerinnen und Bürger, die einen Stadt- bzw. Gemeinderat wählen. der beschließt. Diese demokratische Legitimation sollte genügen, um eine Nutzungsregelung in der Kommune herbeiführen zu können.

Rechtsanwalt Fassl 25.08.2023