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Das Tierheim - Schnittstelle von bürgerschaftlichem Engagement, Tierschutz und Bürokratie

  

Leider ist in Sachsen-Anhalt immer wieder von Problemen in Tierheimen und sogar von deren Schließung zu erfahren. So war zuletzt nach knapp 30 Jahren für das vereinsgeleitete Tierheim in Zerbst am 31.12.2020 Schluss. Die Stadt wollte die ermittelten Kosten nicht übernehmen. Das in Jahrzehnten aufgebaute Tierheim in Salzwedel wurde 2019 geschlossen. In einem Tierheim nördlich von Magdeburg plante der Stadtrat sogar, den Vertrag mit dem Betreiberverein des Tierheims zu kündigen und einem "günstigen" Anbieter ohne jegliche Erfahrung in der Fundtierbetreuung zu übertragen.


Die Schließung der Tierheime ist - unabhängig von den Ursachen - nicht nur für die engagierten Menschen, deren Lebenswerk vernichtet wird, traurig, sondern es wird eine enorme Lücke hinterlassen. Die beteiligten Kommunen merken oft erst nach Schließung der Heime, was verloren wurde und welche realistischen Kosten nun auf sie zukommen, denn sie sind nicht nur zur Fundtieraufnahme gesetzlich verpflichtet.


Nachfolgend wird versucht, insbesondere aus rechtlicher Sicht Hinweise für den Aufbau bzw. den Betrieb eines Tierheims zu geben. Man sollte es nicht glauben, aber die rechtliche Materie, mit der es ein Tierheim täglich zu tun hat, wie


- die Aufnahme von Fundtieren,

- die Versorgung herrenloser Tiere,

- die Betreuung von Abgabetieren,

- die Versorgung der Tiere einschließlich ihrer ärztlichen Betreuung,

- die Vermittlung, aber letztendlich auch

- das Aushandeln einer soliden finanziellen Basis mit der Kommune, für die das Tierheim als

Fundtierbehörde dienen soll,


ist nicht einfach und komplex.

Es besteht ständig Gefahr, dass Naivität und guter Wille ausgenutzt werden bis zu einem Punkt, da das Geld für die Unterhaltung der Räumlichkeiten, des Personals, der tierärztlichen Kosten etc. nicht mehr ausreichend erbracht werden kann. Die Überforderung der eigenen Arbeitskraft führt schlimmstenfalls irgendwann zum Scheitern.

 

1. Rechtliche Grundlagen und Hilfen

Unter im Tierschutz Aktiven geistern diverse fest geglaubte Rechtsansichten herum. So wird immer wieder behauptet, wer eine Katze füttere, werde automatisch ihr Eigentümer. Eine andere dieser Legenden ist, eine aufgegriffene Katze sei herrenlos und könne deshalb nicht als Fundtier aufgenommen werden etc.

Grundlage in Sachsen-Anhalt für die Behandlung von Fundtieren, herrenlosen Tieren, Abgabe- und Unterbringungstieren, ausgenommen herrenlosen Wildtieren, ist der Fundtiererlass des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt vom 26.05.2015. Die wohl derzeit umfangreichste und rechtlich fundierteste Darstellung findet sich in der "Stellungnahme zum Umgang mit Fundtieren, herrenlosen Tieren, Unterbringungstieren und Abgabetieren" des Landesbeauftragen fürTierschutz Baden-Württemberg, Dr. Maisack vom 10.01.2017. Hilfestellung leistet auch der Deutsche Tierschutzbund. Hier findet sich eineBerechnung der Fundtierkostenerstattung für im Tierheim untergebrachte Tiere vom 19.01.2011 (was natürlich an die seither gestiegenen tierärztlichen Kosten, höheren Futterpreisen, der Einführung eines Mindestlohnes usw. anzupassen ist).

Grundlegende gesetzliche Regelungen finden sich in §§ 958 - 960 BGB zur Aneignung und in §§ 965 - 984 BGB zum Fundrecht. Die zivilrechtlichen Regelungen des BGB werden durch das Tierschutzrecht überlagert. In Art. 20 a GG ist der Tierschutz auch für jedes individuelle Tier als Staatszielbestimmung festgeschrieben. Dies wird durch die Bestimmungen im Tierschutzgesetz konkretisiert.

2. Das Tierheim als Verwaltungshelfer

Basis für die Finanzierung eines vereinsgeführten Tierheims ist i. d. R. die Kostenerstattung durch die Kommune, da deren Pflichtaufgaben übernommen werden. Die Kommune hat ein "Fundbüro" nicht nur für Fahrräder und Regenschirme, sondern eben auch für "verlorene" Tiere. Diese Kostenausstattung ist mit der Kommune vertraglich zu vereinbaren in einer Weise, die das Überleben des Tierheims reell sichert. Oft lassen sich Tierschutzvereine übervorteilen. Viele Kommunen stellen ihre Verpflichtungen in einem verkleinerten Ausmaß dar und einige Vereine unterschätzen regelmäßig - teils aus Unwissenheit, teils aus Tierliebe - die tatsächlichen Kosten.

2.1 Pflichtaufgaben der Kommune
2.1.1 Fundtiere

Oft entsteht schon bei der Definition des "Fundtieres" ein Streit zwischen Kommune und Tierheim mit der Argumentation, die Kommune sei nicht für "herrenlose Tiere" zuständig, insbesondere nicht für streunende Katzen. Kein dem Tierschutz verpflichtetes Tierheim wird die Aufnahme einer in Gärten und Brachanlagen aufgefundener Katze und deren Nachwuchs verweigern und so kann eine Kostenlawine einschließlich der medizinischen Kosten entstehen, die ein Heim schnell in die Knie zwingt.

Wie ist die rechtliche Lage?

Richtig ist zunächst die Aussage, dass bei herrenlosen Katzen - also Katzen, die keinen rechtlichen Eigentümer haben - das Fundrecht nicht anwendbar ist. Sinn des Fundrechtes ist es, wie bei einem aufgefundenen Regenschirm, diesen an den Eigentümer, der den Schirm verloren hat, zurückzugeben. Dies ist ausgeschlossen, wenn das Eigentum aufgegeben wurde. Durch diese Aussage lassen sich viele Tierheime zu Unrecht einschüchtern, denn ob eine Katze herrenlos oder verloren gegangen ist, kann beim Auffinden i. d. R. überhaupt nicht festgestellt werden. So ist im Fundtiererlass unter Ziff. 1.1 geregelt, dass Fundtiere alle besitzlosen Tiere sind, die nicht OFFENSICHTLICH herrenlos sind. Eine offensichtliche Herrenlosigkeit ist noch nicht gegeben, wenn ein Hund an ein Brückengeländer angebunden aufgefunden wird.. Offensichtliche Aufgabe des Eigentums wird dagegen bejaht, wenn ein Tier vor dem Heim - mit einem Zettel versehen - angebunden oder in der Mülltonne abgelagert wird, vgl. Stellungnahme Dr. Maisack, Seite 7 a.o.

Die Fundtieranzeige, die nach § 965 BGB vom Finder an das Tierheim zu übermitteln ist (also z. B. durch einen Anruf im Tierheim), löst grundsätzlich noch keine Übernahme- oder Kostenpflicht aus. Diese wird erst durch eine direkte Abgabe beim Tierheim ausgelöst.

Zu berücksichtigen sind die Verwahrungskosten bis zu einem Zeitraum von sechs Monaten, § 973 BGB. Hierzu gehören auch die Kosten für die ärztliche Behandlung der Tiere.

2.1.2 Betreuung von Streunerkatzen

Oftmals erhalten Tierheime Nachrichten über Katzen, die mit ihren Welpen aufgefunden werden.

Eine dem Tierschutz verpflichtete Einrichtung wird versuchen, diese Tiere einzufangen und nach Quarantäne und medizinischer Versorgung zu vermitteln. Nach dem Sicherheits- und Ordnungsgesetz ist ein Einschreiten von Ordnungsamt oder Polizei bei Störung der Rechtsordnung geboten §§ 13, 2, 3 SOG LSA. Eine solche Störung liegt nach dem Tierschutzgesetz § 3 Satz 1 Nr. 3 i. V. § 18 Abs. 1 Nr. 4 vor, wenn ein Haustier ausgesetzt und Not leidend ist. Mit anderen Worten wird hier beschrieben, was sich ein tierlieber Mensch auch denken wird: Die Katzenmutter wird im Winter ihre Welpen ohne menschliche Hilfe nicht durchbringen. Sie würden krank oder verhungern und sterben. Es besteht auch die Gefahr der Übertragung von Krankheiten. Bei diesem Elend wird man nicht tatenlos zuschauen, sondern helfen. Mitunter handelt es sich auch um Aufgaben der Kommune, für die sie auch kostenmäßig zuständig ist.

2.1.3 Unterbringungstiere

Grundsätzlich handelt es sich hier um Tiere, die von Behörden eingezogen werden. In Sachsen-Anhalt handelt es sich dabei oftmals um sog. "gefährliche Hunde", deren Halter keine Erlaubnis vorweisen können. Es sollte selbstverständlich sein, dass das Ordnungsamt für die Kosten der Unterbringung aufkommt, wenn es einen Hund im Tierheim abgibt. Tatsächlich kommt es vor, dass das Amt die Zuständigkeit bestreitet und angibt, man möge die Rechnung dem Tierhalter schicken. Es bleibt zu raten, dass kein Tier aufgenommen wird, bevor nicht die Übernahme der Kosten abgesichert ist.

2.2 Korrespondierende Leistungen des Tierheims


Eine Kostenkalkulation und Vorausschau ist unverzichtbar, aber auch mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Tierarztkosten bei Operationen beispielsweise können das Budget sprengen.

 .2.1 Grundstück, Baulichkeiten, Einrichtungen, PKW

Neben den Kosten für Pacht sind erhebliche Investitionen für die Errichtung der Unterkünfte für die Tiere und ein Büro zu berücksichtigen. Auch die Unterhaltung darf nicht vernachlässigt werden. Kaputtgesparte Einrichtungen vermitteln ein negatives Bild. Ein Pkw für den Tiertransport ist unverzichtbar.

 2.2.2 Personal


Die Aufgaben können nicht allein mit freiwilligen Helferinnen und Helfern gemeistert werden. In der Regel sind jedenfalls zwei festangestellte Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter in Tierheimen von Kommunen mit ca. 25.000 Einwohnern erforderlich. Neben der Tierbetreuung und -vermittlung ist die Buchführung eine zentrale Aufgabe. Freiwillig Helfende können u. a. für Gassigänge und diverse Hilfsarbeiten eingesetzt werden.

 2.2.3 Tierarztkosten

Enorme Kosten fallen an für das Entwurmen, Impfen, Kastrieren und die Behandlung bei Erkrankung bzw. Verletzung bei Tieren. Nicht alle Tierärzte gewähren Vergünstigungen.

3. Freiwillige Aufgaben des Tierheims

Im Tierheim Berlin - dem größten Europas - ist es möglich, Tiere gegen eine Gebühr abzugeben. Das Tierheim übernimmt die Vermittlung. Auch wird ein Tierfriedhof unterhalten. Teilweise wird die Aufnahme als Pensionstier angeboten. Soweit dies gut organisiert ist, können zusätzliche Einnahmen generiert werden.

4. Das offene Tierheim - Anziehungsmagnet für jede Stadt

Das Tierheim Berlin erfüllt nicht nur vorbildlich einen Zweck im Sinne des Tierschutzes, sondern es ist eine gern und häufig besuchte Einrichtung der Stadt. Beim Tag des offenen Tierheims am 12.08.2019 strömten 13.000 Besucher in das Tierheim. Auch in Sachsen-Anhalt gibt es Tierheime (Quedlinburg, Bitterfeld...), die zu einem Besuch einladen, insbesondere zu Sommerfesten. In Eisleben trifft man dort in der Regel auch den Oberbürgermeister. Diese Attraktivität einer Einrichtung hilft natürlich auch bei der schnelleren Vermittlung von Tieren.


Andererseits findet man Tierheime, die notleidend und/oder verschlossen sind. Oft ist dies bereits an der Tierheimwebseite erkennbar, auf der die Abgabetiere nicht bzw. nicht hilfreich beschrieben werden. Interessenten möchten und müssen die Lebensgeschichte und die Charaktereigenschaften des Abgabetieres erkennen können, um herauszufinden, ob es in die neue Familie passt. Im Gegensatz zum offenen Tierheim gibt es Tierheime, die nicht erreichbar sind. Dies geht soweit, dass Kontaktsuchende barsch und kurz angebunden abgewiesen werden, was natürlich von der Tierheimleitung regelmäßig bestritten wird. Unbestreitbar ist der ökonomische Vorteil dieses Vorgehens: Ohne Abgabetiere entstehen keine Kosten für die Unterbringung und medizinische Versorgung, die Zwinger bleiben sauber und der Arbeitsaufwand wird minimiert. Es bleibt zu hoffen, dass diese Varianten die Ausnahme bleiben und die betreffenden Heime zeitnah von tierlieben Menschen übernommen werden.


 

Josef Fassl

 

Rechtsanwalt in Magdeburg

Magdeburg, 14.08.2021

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