Der Miniatur-Bullterrier in der rechtlichen Auseinandersetzung – Teil 3

  1. August 2021
    Der Miniatur-Bullterrier in der rechtlichen Auseinandersetzung – Teil 3

Im Beitrag Teil 1 wurde die rechtliche Auseindersetzung zum Miniatur-Bullterrier, die durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Halle vom 21.03.2019 angestoßen wurde, dargestellt. Das Gericht hatte festgestellt, dass der Miniatur-Bullterrier nicht als „gefährlicher Hund“ nach dem Hundegesetz LSA gilt. Nunmehr liegt das Berufungsurteil des OVG Magdeburg 3 L 107/19 vom 23.06.2021 vor, mit dem das Urteil des VG Halle aufgehoben wird:

  1. Ein Miniatur Bullterrier ist im Rechtssinne der Vorschriften des § 3 Abs. 2 HundeG LSA (juris:
    GefHuG ST) i.V.m. § 4a HundeVO LSA (juris: GefHuGDV ST) i.V.m. Anlage 6 zu § 4a HundeVO
    LSA (juris: GefHuGDV ST) als Bullterrier einzuordnen und damit – wie der Bullterrier – ein Hund,
    dessen Gefährlichkeit vermutet wird.(Rn.66)
  2. Die prognostische Einschätzung des Verordnungsgebers, hinsichtlich des Miniatur Bullterriers
    die (gesteigerte) Gefährlichkeit im Gleichlauf mit dem (Standard) Bullterrier zu vermuten,
    begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Normgeber hat zulässigerweise
    auf ein bei der Rasse des Miniatur Bullterriers bestehenden Besorgnispotential reagiert. Dieses
    lässt sich aus seiner genetischen Disposition, seinen körperlichen Merkmalen und seinem
    Beißverhalten ableiten.(Rn.89)

vgl. Berufungsurteil des OVG Magdeburg 3 L 107/19 vom 23.06.2021 als pdf Datei.

Der Rechtsweg ist damit abgeschlossen, so dass eine Diskussion akademisch ist. Gleichwohl seien einige Anmerkungen erlaubt.

Die Festlegung der Liste der sogenannten Gefährlichen Hunde obliegt dem Landesgesetzgeber. Sie wird ausgerichtet und begründet mit Beißstatistiken mit der Folge, dass diese in Bundesländern wie z.B. Bayern, Bawue, NRW oder Hessen variieren. Die Beißstatistik LSA rechtfertigt nicht die Gefährlichkeitsvermutung für den Miniaturbullterrier. Dies hat auch das OVG erkannt. Aus diesem Grund verweist es auf die Beißstatistik von NRW:

„98 Die Beißstatistik des Landes Sachsen-Anhalt steht der Annahme der Gefährlichkeit nicht
entgegen.
99 Zwar lässt sich die Beurteilung der Gefährlichkeit der Rasse des Miniatur Bullterriers

  • wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt – nicht ohne Weiteres aus dieser
    bzw. der Begründung des Gesetzesentwurfs ableiten. Vielmehr hat der Landesgesetzgeber
    bei seiner Begründung eine Gesamtbetrachtung der Rassen Bullterrier und Miniatur
    Bullterrier angestrengt, so dass eine Zahlengrundlage in Bezug auf den Miniatur
    Bullterrier aus der Gesetzesbegründung nicht hervorgeht. Die Größe der Population
    des Miniatur Bullterriers ist erstmals ab dem Jahr 2015 statistisch in Sachsen-Anhalt
    erfasst worden (2015: 175, 2016: 224, 2017: 242, 2018: 215, 2019: 246 [vgl. abrufbar:
    www.lvwa.sachsen-anhalt.de]). In den Vorjahren wurde nicht zwischen den Hunderassen
    unterschieden. Gleichwohl ist für die Jahre ab 2015 festzustellen, dass der Miniatur
    Bullterrier zwar nicht jährlich, jedoch in manchen Jahren sogar aufgrund seiner geringen
    Population deutlich in Erscheinung getreten ist (2017: 1 Bissvorfall Hund, 1 Bissvorfall
    Mensch, was ausgehend von 242 Hunden eine auf die Population bezogene Quote von
    0,83 bedingt [Platz 1]; 2015: ein Biss und sonstiger Vorfall, was ausgehend von 175 Hunden
    eine auf die Population bezogene Quote von 0,57 [Platz 7]).
    100 Angesichts der geringen Population und dem sich danach nur als verzerrt zu bezeichnenden
    Befund ist es angezeigt, Beiß- und Vorfallstatistiken solcher Bundesländer in die Betrachtung
    einzubeziehen, deren Größe bzw. Bevölkerungsreichtum eine repräsentativere
    Aussagekraft der Statistik erwarten lässt. Hier bietet sich ein Rückgriff auf die Zahlenlage
    in Nordrhein-Westfalen an, wo der Miniatur Bullterrier unter der Rubrik „Kleiner
    Hund“ geführt und fortlaufend beobachtet wird. Der Bestand an Miniatur Bullterriern ist
    im Land Nordrhein-Westfalen weit höher als im Land Sachsen-Anhalt (vgl. Auswertungen
    der Berichte über die Statistik der im Jahr 2019 bis 2011 in Nordrhein-Westfalen erfassten
    Hunde, jeweilige Statistik abrufbar unter: https://www.umwelt.nrw.de, aufgerufen
    am: 6. April 2021; siehe Tabelle unten), so dass dem dokumentierten Verhalten der Miniatur-
    Bullterrier-Population eine größere Aussagekraft zukommt. Die stetige Steigerung
    der Population geht offensichtlich darauf zurück, dass der Miniatur Bullterrier dort im Gegensatz
    zum (Standard) Bullterrier nicht als gefährlicher Hund gelistet ist.
    101 Die Berichtsergebnisse weisen in den Jahren 2012 bis 2019 ein auffälliges Beißverhalten
    des Miniatur-Bullterriers mit Verletzung beim Menschen und mit Verletzungen bei anderen
    Tieren nach (vgl. Auswertungen der Berichte über die Statistik der im Jahr 2019 bis
    2011 in Nordrhein-Westfalen erfassten Hunde, a.a.O.)“

Die Erkenntnis, dass die Gefahr nicht von Hunden ausgeht, sondern vom Halter ist nicht nur unter Experten eine Binsenweisheit. Sie führte auch zur Aufhebung der Rasselisten in Niedersachsen, Thüringen und Schleswig-Holstein. Diese Erkenntnis erklärt auch, dass die Gefährlichkeit sogenannter Vermutungshunde in den Bundesländern variiert entsprechend dem Klientel der Halter. Mithin ist es nicht nur unlogisch und systemwidrig, sondern auch unsachlich die Gefährlichkeitsvermutung des Gesetzgebers LSA mit der Beißstatistik von NRW zu rechtfertigen.

03.08.2021 Fassl

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